Wenn wir Menschen Sport machen, wärmen wir uns im Allgemeinen vorher auf und berücksichtigen auch, dass wir im Anschluss eine sogenannten „Abkühlphase“ hinterher schieben. Komischer Weise machen das die Wenigsten vor oder nach dem Reiten. Nun denn – das soll uns heute nicht interessieren – es geht um unsere Trainingspartner: die Pferde! Da greift nämlich das gleiche Prinzip. Auch hier gehören nicht nur Muskeln, Bänder, Sehnen und Gelenke auf die anstehende Trainingseinheit vorbereitet – auch der Kopf sollte „mitgenommen“ werden.

Aufwärmehase – Lösungsphase – Arbeitsphase – Abspannphase (oder cool down)

Aufwärmehase
Zunächst sollte ein Pferd mindestens zehn, besser 20 Minuten am hingegebenen Zügel Schritt geritten, also erst allgemein aufgewärmt werden. In dieser Zeit kann es sich auf die veränderte körperliche Bewegung (regelmäßiges An- und Abspannen der Muskulatur, Wechsel zwischen Anwinkelung und Streckung der Gelenke), auf andere Gleichgewichtsverhältnisse (Reitergewicht auf dem Rücken) sowie andere psychische Anforderungen (Wechsel der Umgebung) einstellen. 20 Minuten Schritt in der Führmaschine ersetzen deshalb auch nicht alle Schrittrunden unterm Reiter. Das gilt auch für Pferde, die auf der Weide / Offenstall gehalten werden!

In der Aufwärmehase sollten wir schon darauf Rücksicht nehmen, mit was für einem Partner wir es zu tun haben. Alt, jung, nervös, gelassen, kommt das Pferd aus der Box oder steht es draussen, wie ist der Trainingszustand (Leistungsniveau), das Wetter, in welcher Disziplin bin ich unterwegs, usw…

Lösungsphase
Leichte Bewegung vor der eigentlichen Belastung wärmt die Muskulatur auf, beugt Verletzungen vor und stimmt mental auf das Kommende ein. Das Lösen eines Pferdes erfüllt also sowohl physiologische als auch mentale Aspekte. Nervöse Spannungszustände bauen sich ab, die psychische Leistungsbereitschaft steigt an, das Pferd kann sich besser auf den Reiter und die gestellten Aufgaben konzentrieren.
Zu den klassischen lösenden Übungen gehören: die Gangartenwechsel (vor allem Trab- Galopp-Trab-Wechsel), häufige Handwechsel, das Reiten auf zunächst großen Zirkeln, einfache Schlangenlinien, dann kleiner werdenden gebogenen Linien, „ Achten“, durch die Bahn wechseln sowie die Koordination und Konzentration fördernde Übungen wie Schenkelweichen, Viereck verkleinern und vergrößern, Vorhandwendungen und einfache Galoppwechsel.

Ein weniger weit ausgebildetes Pferd kann mit mancher Lektion bzw. Anforderung bereits koordinativ und dann schnell auch psychisch überfordert sein, während ein topausgebildetes Pferd damit keinerlei Schwierigkeiten hat. So kann zum Beispiel das Reiten von Kurzkehrtwendungen zum Ende der Lösephase für ein darin nicht geübtes Pferd zu Verunsicherung und Verspannung führen, während ein erfahrenes M- oder S-Pferd über diese Lektion zu mehr Konzentration und zu einer Verbesserung seiner Koordination kommen kann. Bei einem erfahrenen Grand-Prix-Pferd können ein paar halbe Tritte oder sogar Piaffe-Tritte meist problemlos ins spezielle Lösen mit aufgenommen werden – ein jüngeres, unerfahrenes Pferd wäre damit überfordert und würde sich mehr verspannen als lösen.

In der Aufwärm- und Lösungsphase wird das Pferd auf die anstehende Arbeit vorbereitet – nicht „abgekocht“. Wenn das Pferd schon beim Lösen schweißgebadet und völlig außer Atem ist, kann es in der folgenden Arbeitsphase bzw. der Prüfung nicht mehr die geforderte (Höchst-)Leistung bringen. Muskelermüdung und Atemprobleme führen zu einer Verkrampfung der Muskulatur, damit zu einer Verringerung der Durchblutung und zur Übersäuerung. Ein erschöpftes Pferd, von dem der Reiter nun noch Leistung verlangt, wird Fehler machen und sich auch gegen ihn und die Forderungen wehren.
Der positive Effekt eines Aufwärmtrainings hält etwa fünf bis zehn Minuten an!!!

Doch auch das genaue Gegenteil – ein zu monotones, immer gleichförmiges Lösen nach „Schema F“ – kann problematisch sein, da es ein Pferd nicht motiviert, sondern abstumpft. Lösen hat nichts mit „Kilometer fressen“ zu tun.
Auch das „Lösen“ in Zwangshaltung gehört leider zu den groben Reiterfehlern, weil sie die mentale Entspannung und damit die psychische Losgelassenheit verhindern.

Grundsätzlich sollte die Lösungsphase fließend in die Arbeitsphase übergehen.

Arbeitsphase
Hier findet das eigentliche Training statt. Qualität geht vor Quantität. Mein kleiner großer Spanier braucht nur wenige Wiederholungen, um die Aufgabe zu verstehen (ich bräuchte da manchmal etwas mehr. Grmpf…). Muskulär führe ich ihn in dieser Phase kurz an seine Grenze, um einen Trainingseffekt zu erreichen. Manchmal sind wir dann schon in 15 – 20 Min fertig!

Abspannphase (oder cool down)
Die beste Vorbereitung nutzt aber nichts, wenn keine vernünftige Entspannung (cool down) folgt. Aus Zeitmangel oder Bequemlichkeit wird allzuoft schnell vom Pferd gehupft und das Training für beendet erklärt. Bitte nehmt Euch auch für diese Phase Zeit. Zum Beispiel mit einem lockeren Austraben in Vorwärts-Abwärts-Dehnungshaltung und anschließenden Schrittrunden am hingegebenen Zügel (dabei kann man noch mal prima über die Einheit nachdenken. Bitte ohne Handy dabei!). Das führt dann zum langsamen Abwärmen des Körpers, zu einer Rückkehr von Atmung, Blutdruck und Pulsfrequenz zu den Normalwerten und damit auch zu einer schnelleren Regeneration des Organismus.

Für die Regeneration von Kopf und Muskeln wähle ich eine abwechselnde Belastung. Meine Pferde laufen fast jeden zweiten Tag ohne Reitergewicht auf dem Rücken.
In diesem Sinne: fröhliches Training!